Es ist ein ewiges Dilemma – und (mal wieder eine Grundsatzdiskussion).
Ihr merkt schon, so ganz komme ich nicht ohne aus. Das liegt aber einfach an meiner Überzeugung, solche Themen nicht ohne psychologische und philosophische Aspekte angehen zu können. Klar, richtig umsetzbare Tipps sind bei solchen Beiträgen wohl nur zwischen den Zeilen herauszulesen, aber einerseits soll das eine Art Anreiz für Euch – den Leser – sein, auf der anderen Seite aber zum Mind-Set beitragen. Also zur Grundeinstellung bzw. Geisteshaltung zum Thema GELD.
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Wir wollen unser Leben heute genießen und nicht ständig an morgen denken. Sparen? Vorsorgen? Geld anlegen? Wie spaßfrei das schon klingt. Man lebt doch nur einmal!
Stimmt, und das vermutlich sogar sehr lange. Wenn man aktuellen Statistiken glaubt, liegt die Lebenserwartung bei rund 80 Jahren. Deshalb könnte es später ungemütlich werden, so ganz ohne Geld auf der hohen Kante. Um aber finanzielle Rücklagen zu bilden, braucht es Zeit. Viel Zeit.
Es macht also Sinn, wenn wir besser heute als morgen mit der Vermögensbildung loslegen. Klingt logisch, aber es gibt da noch ein Problem:
Logik bringt Menschen zum Nachdenken, aber Emotionen bringen sie zum Handeln.
Ich bin völlig bei denen, die obigen Standpunkt vertreten – wirklich. Ich kann auch nachvollziehen, wenn jemand ohne Abstriche genau diesen Weg einschlägt. Manchmal entsteht sogar etwas Neid, wenn ich mir denke, herr Gott, schau was der für Spaß hat, der macht sich überhaupt keine Sorgen. Warum kannst du das nicht auch?
Wenn ich diesen Gedanken weiter spinne, frage ich mich weiter, hat er wirklich keine Sorgen? Oder überblendet er sie nur? Ich bin überzeugt dass es so ist. Denn in der heutigen Zeit kann man sich dem was da eventuell kommen mag gar nicht mehr entziehen. Manche vielleicht mehr und manche weniger. Wenn ich da an die steigende Pflegebedürftigkeit denke, die mancheiner in der eigenen Familie direkt miterlebt, wird mir schon etwas anders. Wenn das dann noch mit zu wenig Geld korreliert, geht der Spaß richtig los. Ihr versteht was und wie ich es meine. Ich möchte den Teufel nicht an die Wand malen und ich gebe zu, das ein oder andere Problem überzubewerten, aber wie schnell kann dann die tatsächliche Freude am Leben komplett entrinnen? Ich selbst versuche einen Mittelweg zu finden. Ich habe mir Gedanken gemacht, welche Risiken mich tatsächlich treffen können und versucht, Vorsorge bzw. Vorkehrungen zu treffen. Ich spreche hier nicht nur von finanzieller Vorsorge, sondern genauso die rechtliche Vorsorge. Und ganz ehrlich, wenn man sich diesem Prozess einmal geöffnet hat und das erledigt hat, was man tun kann, bleibt auch wieder mehr Platz für Lebensfreude. Alles andere ist Augenwischerei und das was man den „bösen“ Menschen dieser Gesellschaft vorwirft – reine Spekulation – das „wird-mich-schon-nicht-treffen-Syndrom“.
Sicherlich werden mir hier einige zustimmen. Unter richtigen Gesprächspartnern (also ohne die, die sinnlos irgendwelche YOLO-Parolen herumschreien, ohne sich überhaupt im Klaren darüber zu sein, was sie dem Gegenüber damit sagen wollen) wird auch jeder offen und ehrlich diesem Kontext zustimmen, aber warum setzen es die wenigsten auch tatsächlich um?
Hier mal eine kleine Auflistung von Gründen und Ausreden – die jeder einmal für sich selbst hinterfragen sollte:
Keine Motivation?
Natürlich weißt du, dass du sparen und dein Geld vernünftig anlegen solltest, aber es besteht die durchaus realistische Chance, dass du es trotzdem nicht tust.
Weil du nichts fühlst, wenn du an Vermögensbildung denkst. Schon gar nicht heute.
Stell dir vor, du legst die Hand auf eine Herdplatte, die du kurz zuvor angestellt hast. Eine starke Emotion – Schmerz – dürfte dich in kürzester Zeit dazu motivieren, deine Hand von der Herdplatte zu nehmen. Nicht-Handeln scheidet als Option eindeutig aus, oder?
Was hingegen verspürst du, wenn du kein Vermögen bildest? Nichts. Es tut überhaupt nicht weh. Jedenfalls nicht heute.
Dein Handeln oder besser Nicht-Handeln hat in der Gegenwart keinerlei Konsequenz. Und ist es nicht das, was zählt, das Leben im Hier und Jetzt?
Schon, aber der Moment ist kein Allheilmittel, wie ich es oben beschrieben habe. Als Randnotiz möchte ich hier auch auf einen guten Artikel “Der Unsinn vom ständigen Leben im Hier und Jetzt” hinweisen.
Wer die Gegenwart kompromisslos zelebriert, übersieht, dass urplötzlich heute das ist, was gestern noch morgen war.
Indem die Zeit vergeht, wird aus Zukunft Gegenwart.
Oder anders ausgedrückt:
Die Sache ist also klar: soll es uns auch später finanziell gut gehen, gibt es keine Alternative zum Sparen und Anlegen. In der Gegenwart.
Wären da nicht drei gedankliche Hintertüren und Ausreden, die wir jederzeit bequem vorschieben können, um unser Nicht-Handeln in Sachen Vermögensbildung zu rechtfertigen:
Ausrede 1: Wer sagt, dass es ein Morgen gibt?
Vielleicht gibt es ja gar kein Morgen, gar keine Zukunft. Niemand weiß schließlich, wie viel Zeit er noch vor sich hat. Nicht, dass der Ofen schon viel früher aus ist als gedacht und…
Und was?
Meinst du es kümmert dich wirklich – solltest du plötzlich und unerwartet ins Gras beißen – ob irgendwo noch Geld liegt, das du nicht mehr in die Läden tragen kannst?
“Ja, wenn ich gewusst hätte, dass ich so früh sterbe…”
…hättest du das Geld ausgegeben, sofern noch Zeit dafür gewesen wäre, klar. Und trotzdem: Game Over.
“Ja, wenn ich gewusst hätte, dass ich so lange lebe…”
…hättest du besser ein bisschen (mehr) Geld auf die Seite gepackt, oder? Eine Erkenntnis, die dich allerdings kaum weiterbringen wird, wenn du im Alter von 90 Jahren zwar quietschfidel, aber mit leeren Taschen in deiner Bude hockst – solltest du noch auf ein Bude zurückgreifen können.
Halten wir fest: im ersten Fall ist am Lebensende noch Geld übrig. Im zweiten Fall ist am Ende des Geldes noch Leben übrig.
Was ist dir lieber?
Während es uns im Jenseits vermutlich herzlich egal sein dürfte, wie viel Geld noch auf irgendwelchen Konten liegt, werden wir uns später im Diesseits jeden verdammten Tag über unseren “Ich lebe nur im Hier und Jetzt”-Spleen ärgern, mit dem wir uns in der Vergangenheit so unglaublich bewusst und achtsam vorkamen.
Überhaupt könnte man mal fragen: Ist Sparen wirklich so schlimm?
Leben wir wirklich schlechter, wenn wir beispielsweise 10 Prozent unseres Nettoeinkommens zurücklegen, anstatt jederzeit alles auf den Kopf zu hauen?
“Aber diese Unsicherheit! Was wird bloß aus meinen Ersparnissen? Man kann sich heutzutage ja auf nichts mehr verlassen.”
Die Angst ums Geld führt uns geradewegs zu…
Ausrede 2: Das Geld ist nirgends sicher
Die Eurokrise! Die Zinsen im Keller! Was passiert, wenn es zu einer Hyperinflation kommt? Oder der Staat die Sparer enteignet? Oder, oder, oder…?
Gut, anders als beim vorzeitigen Hinwegscheiden aus dieser Welt wirst du die Folgen dieser Ereignisse live und in Farbe miterleben.
Aber alle anderen werden es auch!
Ich sage dir, was wir dann tun werden: Wir werden uns alle an den Händen fassen, zusammen im Stuhlkreis ordentlich jammern und eine gigantische Selbsthilfegruppe der Inflationsgeschädigten oder Staatsenteigneten sein.
Geteiltes Leid ist halbes Leid.
Wir reden hier über Dinge, die wir nicht ansatzweise kontrollieren können. Du nicht, und ich auch nicht. Was wir aber kontrollieren können, ist ob und wie viel Geld wir auf die Seite legen und wie wir es anlegen (zugegeben, das verlangt dann mehr Envolvement als die reine Entscheidung zu sparen, aber mit dem richtigen Engagement kann man einige dieser Risiken entgegnen).
Du lebst kompromisslos in der Gegenwart, im festen Glauben an die baldige Finanz-Apokalypse?
Stell dir vor, die will partout nicht kommen. Stattdessen löst sich die Eurokrise irgendwann in Luft auf (keine Sorge, es werden neue Krisen kommen, die dann andere Namen tragen) und die Welt geht doch nicht unter.
Könnte ja sein.
Dann haben sich wider Erwarten auch noch die Börsen prächtig entwickelt und du kennst ein paar Leute, die auf diesem Weg ordentlich Vermögen gebildet haben. Das sind die, die trotz aller schlechten Nachrichten einfach unbeirrt weiter ihr Geld angelegt haben.
Diese Ignoranten! Alle deine Warnungen haben sie lächelnd missachtet und nun soll es denen auch noch besser gehen als dir? So eine schreiende Ungerechtigkeit!
Ok, ok, du bist gar nicht einer dieser Apokalyptiker. Du bist nämlich grundsätzlich voll davon überzeugt, dass man sparen und Geld anlegen muss, dass Altersvorsorge extrem sinnvoll und auch ein ganz wichtiges Thema ist, eins, dass nicht nur auf der politischen Agenda und im gesellschaftlichen Diskurs ganz oben stehen sollte und bei dem man sicherlich zeitnah etwas unternehmen müsste und bla bla bla…
Willkommen bei…
Ausrede 3: Morgen ist auch noch ein Tag
Hier kannst du anklopfen, falls bei Hintertür 1 mal das Schloss klemmen sollte. Stell dich allerdings auf ein wenig Wartezeit ein, denn durch diese Tür drängeln sich die meisten Leute.
Es ist die große Gruppe der Prokrastinierer.
Alle jene, die das Thema Vermögensbildung theoretisch im Hinterkopf haben, praktisch aber nichts unternehmen. Noch nicht. Aber bald. Vielleicht schon im nächsten Jahr. Oder im Jahr darauf. Ist ja noch viel Zeit…
Das menschliche Gehirn erlaubt es, gedanklich in die Zukunft zu reisen und trotzdem bleibt ein Begriff wie “Altersarmut” viel zu abstrakt, als dass er etwas in uns auslösen würde.
Wie gesagt: zum Handeln brauchen wir Emotionen. Genauer gesagt, brauchen wir einen gewissen Leidensdruck. Und wir brauchen diesen Leidensdruck heute, nicht irgendwann.
Aus diesem Grund darf das Schreckgespenst “Altersarmut” keine abstrakte Vorstellung bleiben, sondern muss ein Gesicht bekommen. Es muss menschlich werden, um uns zu berühren.
Sofern du bereit bist, dich darauf einzulassen, schau dir diese bewegende Dokumentation an.
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Noch ein letzter Gedanke, der mir persönlich aufstößt, wenn einer die YOLO-Phrase verkörpert.
Ist es nicht ziemlich egoistisch diese Entscheidung (zu sparen oder eben nicht) rein auf Grundlage der persönlichen Einstellung oder Meinung zu treffen? Ich persönlich sehe das etwas anders. Auch wenn ich selbstverständlich die Freiheit als höchstes Gut betrachte, gibt es für jeden wichtige Menschen in seinem persönlichen Umfeld. Nicht, dass das die Freiheit einschränken sollte, aber man muss sich nur vorstellen, was man diesen Menschen antuen würde, sollten nur Schulden und offene Rechnungen zurück bleiben… Was wäre das für ein Andenken!?
Wir sollten heute leben und für morgen sparen. Meinst du nicht auch?
Wie steht ihr zu dem Thema?