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Bedingungsloses Grundeinkommen

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Bedingungsloses Grundeinkommen

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Heute möchte ich (mal wieder) den Blick über den Tellerrand
wagen. Seht die folgenden Zeilen als wertungsfrei an. Es spiegelt weder meine
Meinung, meine Wünsche noch Abneigung wider. Seht es als Zusammenfassung
und/oder Gedankenanstoß…
Sicher ist nicht nur mir gerade in jüngerer Vergangenheit
eine Bewegung namens „Bedingungsloses Grundeinkommen“ aufgefallen. Anfangs habe
ich das als eine eher wahnwitzige Geisteshaltung junger linksgerichteter
Aktivisten abgetan, musste mich aber dann doch etwas belehren lassen. Irgendwann
habe ich den Facebook-Auftritt dieser Bewegung mit „gefällt mir“ markiert,
einfach um so unterbewusst ein paar mehr Informationen darüber zu erhalten.
Erst als ich dann von einer Volksinitiative in der Schweiz gelesen habe, habe
ich dem Ganzen etwas mehr Aufmerksamkeit gewidmet – es steht wohl doch mehr
dahinter.

Hier kurz die Fakten zur Grundidee:
Das Konzept des Bedingungslosen
Grundeinkommens
sieht eine Zuwendung für jedermann vor. Es würde weder eine
sozialadministrative Bedürftigkeitsprüfung erfolgen, noch würde eine
Bereitschaft zur Erwerbstätigkeit gefordert. Auf der anderen Seite entfallen
alle allgemeinen steuer- und abgabenfinanzierten Sozialleistungen wie
Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder Kindergeld.
Ein Grundeinkommen ist
ein Grund-Einkommen. Es ist ein sicheres Fundament, das mit Erwerbs- und
sonstigem Einkommen aufgestockt werden kann. Mit einem Grundeinkommen hätten
vor allem diejenigen mehr Geld, die heute wenig haben. Die positive
gesellschaftliche Veränderung würden aber alle spüren.
Soweit hört sich das alles nachvollziehbar, verständlich und
tatsächlich auch verlockend an – oder? Die positiven Auswirkungen auf das
Individuum selbst liegen wahrscheinlich auf der Hand, aber wie… häää? Genau,
dann spinnt man den Gedanken weiter und stößt auf eine Barriere nach der
Anderen. Weniger problematisch erscheint mir der Gedanken, dass ein solches
System tatsächlich funktionieren könnte, aber ist denn ein Wechsel aus dem
aktuellen System überhaupt denkbar? Aus der Sicht eines Deutschen weiß ich
nicht ob das eine Denksportaufgabe sein soll bzw. kann oder doch eher eine von
vorne herein eindeutige Verschwendung von Zeit und Energie. So ziemlich alle
staatlichen Institutionen wären ja nahezu überflüssig. Die Politik (die zwar
natürlich einen solchen Wandel erst in Schwung bringen könnte) wäre aus
heutiger Sicht in vielen Bereichen einfach gar nicht fähig zu solch einem
Systemwechsel. Man tut sich ja selbst mit offensichtlich notwendigen Änderungen
schon so schwer, wie wäre es dann bei einem mehr oder weniger gewolltem
Wechsel? Nahezu alle Verwaltungsorgane würden gar nicht mehr benötigt… Gut, das
Thema „Wegfall von Arbeitsplätzen“ zieht dann wohl nicht mehr, wenn das
Existenzminimum auf jeden Fall gesichert wäre… Auch erscheint mir der Gedanke
auf der anderen Seite wiederum äußerst wohltuend. Man stelle sich vor wie so
ein Wandel das gesamte bürokratische Formalitätsgehabe entschlacken und
vereinfachen könnte.
Um das abzurunden, je mehr man sich mit dem Gedanken
beschäftigt findet man tatsächlich Ansätze, die sehr fundiert und durchdacht
sind – sowohl positiv als auch negativ.
Ich möchte hier versuchen Vorteile und Nachteile eines
solchen Systems herauszufiltern:
Vorteile:

  • Humanisierung der Arbeitswelt

      Keine Existenzängste, weniger Überstunden, kein Arbeits- oder Leistungsdruck,
kein Lohndumping;
    Wer sich nicht mehr gezwungen sieht, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, der
kann sich freier entfalten. Statt der üblichen 40-Stunden-Woche werden viele
Leute nur noch 20 oder 30 Stunden arbeiten, weil ihnen Freizeit wichtiger
erscheint als zusätzlicher Konsum. Diese veränderten Lebenseinstellungen
erfassen vermutlich unsere gesamte Gesellschaft – unnötiger Luxus verliert an
Bedeutung, während das Familienleben einen höheren Stellenwert erlangt. Arbeit
bringt vielen ehemals Gestressten wieder Spaß, weil der starre Zwang entfällt.
Schlechte Arbeitsbedingungen werden seltener oder nur noch bei deutlich
besserer Bezahlung akzeptiert. Dabei kommt es vermutlich allgemein zu einem
deutlichen Wandel: die unterbezahlten Bad-Jobs von heute müssten wesentlich
besser entlohnt werden (weil sie sonst keiner mehr machen würde).

  • Höhere Verteilungsgerechtigkeit

   
Heute ist es so, dass über das unsägliche Hartz-IV-Konzept nicht nur
Arbeitslose, sondern auch Arbeitsscheue ihr Auskommen haben. Vor allem für
Familien mit Kindern lohnt sich die Arbeit häufig nicht mehr, weil die
Hartz-IV-Vollkasko-Fürsorge großzügig fast alle Bedürfnisse und
Sonderaufwendungen abdeckt. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde diese
Ungerechtigkeit unterbinden – Arbeitnehmerhaushalten würde es fortan finanziell
niemals schlechter gehen als Hartz-IV-Familien.
    Würde man alle getarnten Arbeitslosen mitzählen – also auch die vielen
Millionen Frührentner, Praktikanten, 1-Euro-Jobber usw., fehlen in Deutschland
mindestens 10 Millionen echte Arbeitsplätze.
Das Grundeinkommen könnte dazu beitragen,
Arbeit gleichmäßiger auf alle Bundesbürger zu verteilen. Es gäbe kaum noch
unfreiwillige Erwerbslose, dafür würden sich die meisten Beschäftigten aber für
kürzere Wochenarbeitszeiten entscheiden.

  • Weniger Bürokratie

     
Die heutigen Hartz-IV-Gesetze bedingen einen immensen Verwaltungsaufwand in den
Arbeits-, Job- und Sozialcentern. Hunderttausende Einsprüche gegen
Hartz-IV-Bescheide blockieren zudem Behörden und Justiz.
–       
Das bedingungslose Grundeinkommen würde unsere
Ämter grundlegend entlasten, denn individuelle Berechnungen entfallen. Jeder
Bundesbürger erhält einen Pauschalsatz, der für alle Aufwendungen reichen muss
(also auch für die Heizung und Miete). Das bedeutet also mehr Verantwortung für
den Einzelnen (Abkehr vom Hartz-IV-Vollkaskosystem). Jeder ist seines Glückes
Schmied, aufreibende Streitereien mit den Behörden entfallen.
Nachteile/(mögliche) noch ungelöste Probleme:

  • Fragwürdige Finanzierung

   
Ob ein Grundeinkommen auf Dauer finanzierbar ist, lässt sich seriös nur im
realen Feldversuch ermitteln. Denn die schönsten theoretischen Berechnungen
können nicht berücksichtigen, wie sich die gesellschaftliche
Leistungsbereitschaft durch das Grundeinkommen verändert.
Wenn überhaupt, scheint nach heutigen
Erkenntnissen nur ein Grundeinkommen auf niedrigstem Niveau realisierbar,
deutlich unter dem heutigen Hartz-IV-Niveau. Dies nicht nur aus finanziellen
Gründen, sondern auch um den Arbeitsanreiz einigermaßen aufrecht zu erhalten.

  • Problemfeld Zuwanderung

    
Schon heute zieht es Armutsflüchtlinge und Wirtschaftsasylanten bevorzugt nach
Deutschland. Was geschieht aber, wenn ein deutsches Grundeinkommen weltweit
bekannt und unser Land als real existierendes Schlaraffenland wahrgenommen
wird? Wie will man die Zuwanderungen von außen stoppen? Ohne Klärung dieses
Problems wird man kaum ein Grundeinkommen einführen können (es sei denn, es
würde gleichzeitig überall in der Welt durchgesetzt).

  • Abnehmende Arbeitsmotivation / Neigung zur
    Bequemlichkeit

     
Was geschieht, wenn immer mehr Menschen ganz aus dem Arbeitsleben ausscheiden
möchten?
    Niemand weiß heute, wie Menschen reagieren, wenn der Zwang zur Arbeit wegen
staatlicher Alimentierung entfällt. Es ist damit zu rechnen, dass sich ein
stetig wachsender Teil der Bevölkerung mit dem Grundeinkommen arrangiert und
selbst von möglichen Hinzuverdiensten allmählich Abstand nimmt. Je höher das
Bürgergeld ausfällt, desto größer die Gefahr zunehmender Trägheit. Die heutige
Arbeitswelt und das Konsumverhalten wird wesentlich vom inneren Leistungsdruck
getragen – niemand möchte gegenüber seinen Nachbarn oder Arbeitskollegen
zurückstehen. Das Selbstwertgefühl gebietet, in möglichst vielen Belangen
mithalten zu können. Wenn aber dieser Leistungsdruck erst einmal ins Rutschen
kommt, wären phlegmatische Gleichgültigkeit auf breiter Basis die Folgen. Die
deutsche Wirtschaftsleistung würde stetig absinken, das Grundeinkommen bald
schon nicht mehr bezahlbar sein.

  • Unterschiede zum benachbarten Ausland

    Extreme wirtschaftliche Unterschiede (vor allem aus steuerlicher Sicht) bieten
immer enormes Betrugspotential

  • Gefahr der Vertreibung der Eliten

     
Angenommen die Arbeitsmoral nimmt tatsächlich großflächig ab und die
steuerliche Situation nimmt zu (was in Folge der geringeren Arbeitsleistung der
Fall wäre), wie wirkt sich das auf die Leistungsträger eines Wirtschaftssystems
aus?
     Je teurer ein Sozialsystem kommt, desto mehr muss die Arbeitsleistung anderer
umverteilt werden. Dies kann zur allgemeinen Demotivation am Arbeitsplatz
führen, weil persönlicher Einsatz nicht mehr angemessen entlohnt wird. Eine
Finanzierung des Grundeinkommens über hohe Lohnsteuern wird sich in diesem
Sinne als besonders schädlich herausstellen. So kann es schnell zu einer
verhängnisvollen Wanderbewegung kommen: Die Strebsamen und Eliten zieht es ins
Ausland (wo deren Leistung weit besser honoriert wird), während die Bequemen
und Schwachen es sich im Wohlfahrtsparadies einrichten. Diese negative
Selektion kann auch ein moderner Industriestaat auf Dauer nicht verkraften. Das
Modell des Grundeinkommens müsste scheitern und würde wieder abgeschafft – doch
die Wirtschaft bleibt nach diesem misslungenem Experiment auf lange Zeit
ruiniert, auch weil die ehemals vergraulten Leistungsträger nur in Ausnahmefällen
zurückkehren werden.
Wenn ich mit diesen Gedanken auf Zustimmung oder Ablehnung
gestoßen bin, habe ich mein Ziel erreicht. Gleichgültigkeit diesem Thema
gegenüber kann ich mir aus meiner Sicht nicht vorstellen. Zu verstehen ist
dieser Beitrag als völlig wertungsfrei – nur eine Zusammenfassung der
herrschenden Meinungen und Fakten. Ob und wie so etwas tatsächlich umsetzbar
ist – macht euch euer eigenes Bild…
Im Anhang: Nicht als Propaganda zu verstehen, aber zu einem
besseren Verständnis dieser Bewegung – Die Broschüre BGE zum 10-JährigenBestehen (pdf)

1 Comment

    Thomas

    27. August 2015Reply

    Das Bedingungslose Grundeinkommen wäre sicherlich aktuell hier bei uns nicht umsetzbar, allerdings ist der Grundgedanke ja nicht schlecht. Vielen Menschen würde es schon sehr helfen und viel Lebensqualität zurückgeben. Insbesondere auch für ältere Menschen eine Möglichkeit, um nicht in die Altersarmut zu geraten und dennoch etwas für die Wirtschaft machen zu können.

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