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Reich lebt länger

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Reich lebt länger

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Die
Lebenserwartung im reichen Deutschland hängt davon ab, ob die Menschen wohlhabend
sind oder arm. Auf den Punkt gebracht: Wer zeit seines Lebens wenig Geld hat,
muss früher sterben – bei Männern fast elf Jahre eher, bei Frauen acht. Diese
in einer aktuellen Studie nachgewiesene Erkenntnis ist ein sozialpolitischer
Skandal. Beim Ärztetag nannten die Mediziner diese Entwicklung eine „Schande“
und forderten die Politik dringend auf, wirksame Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Aber guter Rat ist – im wahrsten Sinn des Wortes – teuer! Denn die Ursachen für
die deutlich geringere Lebenserwartung sind kein Geheimnis: Arme Menschen
können sich eine bessere medizinische Versorgung nicht leisten, Zukunftssorgen,
unsichere Jobs und Arbeitslosigkeit erzeugen Stress, für eine vernünftige Ernährung
fehlt oft das Geld, sie halten sich zu selten mit Sport fit – alles
Einfallstore für Krankheiten, vor allem für Volksleiden wie Diabetes,
Schlaganfälle, Herzinfarkte und Krebs.
Die
Gesellschaft steht dieser bitteren Entwicklung ziemlich hilflos gegenüber.
Vereinzelte Maßnahmen von Politik, Unternehmen und Krankenkassen erweisen sich
nur als Tropfen auf den heißen Stein. Es ist derzeit kein Konzept in Sicht, das
in unserer Leistungsgesellschaft die rasant zunehmende Kluft zwischen Arm und
Reich verringern kann. Am schlimmsten sind die Rentner betroffen: Die
Altersarmut hat sich hierzulande in den letzten zehn Jahren verdoppelt. 500 000
Männer und Frauen über 65 Jahren müssen zum Sozialamt gehen, weil ihre Rente
hinten und vorne nicht reicht. Fachleute vermuten sogar, dass die „verdeckte“
Armut doppelt so hoch ist, weil sich viele Alte schämen, Unterstützung zu
beantragen. Die krassen Unterschiede bei der Lebensdauer und die galoppierende Altersarmut
betreffen nicht Minderheiten, sondern sind längst zu einem Massenphänomen
geworden. Dabei wird häufig sogar übersehen, dass die gegenüber früher
erheblich gestiegene Lebenserwartung der vielleicht größte Triumph in der
Menschengeschichte ist – noch vor 200 Jahren starben die Leute mit 40. Aber das
verlängerte Leben hat neue Probleme geschaffen.
Beim
Nachdenken über langfristige Lösungen bringen immer mehr Fachleute sogar das
umstrittene „bedingungslose Grundeinkommen“ ins Gespräch: Anstelle der vielen
komplizierten staatlichen Sozialleistungen soll jeder Deutsche – vom
Neugeborenen bis zum Greis – 1000 Euro pro Monat bekommen, alle anderen
Zahlungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Kindergeld, Renten und so weiter
fallen dann weg. Angeblich rechnet
sich dieses revolutionäre Modell, das von Götz Werner stammt, dem erfolgreichen
Gründer der dm-Drogeriemärkte. Dass es sich nicht nur um eine Schnapsidee
handelt, beweist auch der Deutsche Bundestag, der zur Bewertung dieser Vision eine
eigene Fachkommission eingesetzt hat. Denn wer nicht weiß, ob er am nächsten
Ersten die Miete zahlen kann oder ob das Geld für ein Paar neue Kinderschuhe
reicht, wird im Hamsterrad seines Lebens auf Dauer nicht gesund bleiben – und
dann sowieso dem Staat zur Last fallen. Ob das „bedingungslose Grundeinkommen“
ein realistischer Weg ist, um die vorhandenen Probleme zu bewältigen – wer
weiß?! Sicher ist nur, dass etwas geschehen muss. Die Langlebigkeit erfordert neue
gesellschaftliche Konzepte. Mit kosmetischen Korrekturen oder homöopathisch
dosierten Rentenerhöhungen lassen sich weder das Sterbegefälle noch die
Altersarmut beseitigen.

Quelle – Neue Presse Coburg 13.11.2013

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